"Weil es einfach Spaß macht…"

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[Bilder: Oliver Müller --- Das Schmölzchen bei einer der wenigen "passiven" Aufgaben im Karneval. Sie beobachten aus einer Loge heraus das Treiben auf der Bühne und haben auch dabei richtig Spaß. ]

(om/11.02.2012-11:09)

Engelskirchen - Was ist eigentlich dran an dem Traum, der Karnevalsprinz zu sein? OA-Mitarbeiter Oliver Müller, ein ausgewiesener Nicht-Karnevalist, ging dieser Frage nach…

Von Oliver Müller

"Einmol Prinz ze sinn". So heißt es in einem bekannten Kölner Karnevalssong und für die meisten echten Jecken ist das sicher ein angestrebtes Ziel und wäre die Erfüllung eines Lebenstraumes. Für mich, als nicht affiner Karnevalist, eher ein unverständlicher Wunsch. In dieser Session wollte ich dem Mysterium auf den Grund gehen und fand im aktuellen Schmölzchen der KG Närrischen Oberberger, mit Prinz Michael I. und seiner Prinzessin und Ehefrau Carmen wie auch deren Gefolge, eine Gruppe mit Leib und Seele der fünften Jahreszeit verschriebenen Jecken.  Sie gewährten mir einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen des Karnevals-Alltags.
Die Planungen zu einer Session beginnen zum Teil schon Jahre vor der eigentlichen aktiven Zeit, und immer wieder kreisen die Gedanken um dieses oder jenes Detail, welches noch auf die endlos scheinende To do-Liste gesetzt werden muss, um ja nichts zu vergessen. Das Gefolge wird zusammengestellt, ein Motto muss her, wie sieht der Orden aus, zahllose Gespräche müssen mit den Verantwortlichen der KG, den Sponsoren, Helfern, Verwandten, Freunden und Lebenspartner geführt, die Kostüme entworfen und geschneidert, Fotos erstellt, das Prinzenheft vorbereitet, die Sessionslieder getextet und komponiert, die Tänze choreografiert und nicht alles von jedem Mitglied des Schmölzchens einstudiert und verinnerlicht werden. Entscheidungen werden getroffen, Beschlüsse gefasst und Termine abgesprochen.
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[Dem Prinzenpaar Michael I. und Carmen aus dem Hause Peffeköver sowie dem gesamten Team gilt mein Dank für die Möglichkeit, den Karneval einmal aus einer anderes Sicht erleben zu dürfen.]

Und dann, endlich, am 11.11. um 11:11 Uhr beginnt die Session. Wer denkt, die stressige Zeit hat nun ein Ende, der irrt, denn jetzt beginnt ein Marathon von Auftritten in Sälen, Festzelten, Schulen, Kindergärten und Altenheimen, bei Geburtstagen, in Kneipen und Diskotheken. Jeder will die Regenten präsentieren, sehen und mit ihnen feiern.  Nach der offiziellen Machtübernahme, während der Prinzenproklamation Anfang Januar, nimmt der Wahnsinn endgültig seinen Lauf und gipfelt in weit über 120 Auftritten innerhalb und außerhalb der Region, alles bis zum Aschermittwoch, denn dann ist bekanntlich wieder alles schlagartig vorbei.
Für mich wäre dies eine Tortur und keineswegs eine freudige Zeit, aber den Mitgliedern des Schmölzchens sieht man das nie an. Natürlich sind auch sie von den Strapazen gezeichnet, früh morgens beim Hoffrisör noch müde, erzählen vom anstrengenden Vortag, aber immer mit zumindest einem strahlenden Auge wie schön es doch gestern war und was man alles erlebt hat. Doch der Terminkalender kennt kein Erbarmen. Der Prinzenführer, Thomas Bürgerhausen, schaut auf die Uhr. Schnell noch den Kaffee ausgetrunken, einmal ins Brötchen beißen, Jacke an, Schuhe gebunden, Frisur kontrolliert, Fliege und Orden sortiert und rein ins Auto - los geht´s.

Zum Glück sind die Fahrer immer rechtzeitig und mit vollgetanktem Wagen vor der Tür; sie wissen genau wohin es geht. Vor Ort angekommen, sammelt sich die Gruppe vor dem Eingang, Wurfmaterial wird verteilt und die Kleidung gerichtet, können wir noch eine rauchen oder eher nicht? Der Prinzenführer steckt noch zwei- drei Orden ein, jemand anderes zwängt sich in den vollbesetzten Saal, um die Sessionsmusik beim DJ abzugeben.

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[Lagebesprechung: Vor dem ersten Auftritt erklärt Thomas Bürgerhausen, wohin es geht und worum es bei den Auftritten geht, damit jeder gut eingestimmt die Auftritts-Tournee angehen kann.]

Kurz darauf ertönt der Klatschmarsch und, angeführt vom Zeremonienmeister Kevin Helfer, marschiert das Gefolge in den Saal und lässt sich feiern. Alle strahlen, nicht aufgesetzt, sondern ehrliche Freude macht sich breit. Die Menge tobt, singt und klatscht, nimmt gerne die verteilten Strüßjer entgegen. Keiner der Gruppe kommt so recht voran, denn die feiernden Menschenmassen möchten “ihr” Prinzenpaar bütze und umarmen, sie begrüßen und Smalltalk halten. Man kennt und man freut sich über das Erscheinen der Hoheiten.

Nach endlos erscheinender Zeit auf der Bühne angekommen, stellt der Prinzenführer das Schmölzchen vor, der Prinz hält eine kurze Ansprache, die Tänze werden vorgetragen und Orden verteilt. Alles läuft routiniert ab, so wie es in den Übungseinheiten einstudiert wurde. Dennoch ist jeder Auftritt irgendwie besonders, hat etwas, worüber man später erstaunt ist oder lacht, mit Sicherheit wird er in Erinnerung bleiben. Viel Zeit für einen längeren Aufenthalt haben sie leider nicht, denn schon wieder ruft der nächste Auftritt, in einer anderen Umgebung, in einem anderen Dorf. Also schnell verabschieden, zurück zum bereitstehenden Auto, hinsetzen, durchatmen, los zum nächsten Termin. Hier beginnt das Ganze von vorne.
Für den Außenstehenden sieht das nach extremem Stress aus, ist es sicher auch, aber die gesamte Truppe nimmt das nicht so wahr. In den Autos wird kölsche Musik gespielt und gefeiert. Die Stimmung ist ausgelassen, jeder fiebert dem nächsten Auftritt entgegen. Müde? Ja, müde sind sie, manchmal auch gestresst, hier und da ein Wehwehchen, und die Grippe will auch nicht so recht verschwinden, aber was ist das alles im Vergleich zu den tollen Erlebnissen und Gefühlen vor und auf der Bühne. Hierfür haben sie trainiert und das ist es, was sie wollten und was sie mit jeder Faser ihres Körpers genießen.
Es ist schon eine besondere Art, die Session zu feiern und nicht jeder kommt in den Genuss, solche Situationen zu erleben, fernab vom “normalen” Karneval, aber die, die jemals dabei waren, bestätigen, das die gesamte Gruppe zusammenwächst, jeder hilft jedem und dieser Zusammenhalt geht weit über den Aschermittwoch hinaus. Man trifft sich außerhalb des Karnevals, beim Wandertag, zum Grillen und auf Geburtstagen und immer wieder spricht man voller Begeisterung und auch ein bisschen Wehmut über die tolle Zeit. Genau so, wie das jeder von uns kennt, es fängt an mit den Worten “Weißt du noch...”
Auch wenn sich mir die Freude am Karneval nicht bis zur letzten Konsequenz erschließt, so bin ich sehr beeindruckt von der Akribie und Leidenschaft, mit der die Jecken ihre Vorbereitungen treffen und dafür sogar auf Freizeit verzichten, nicht wenig Geld investieren und Urlaub nehmen, um IHRE fünfte Jahreszeit feiern zu können. Sie feiern, als gäbe es kein Morgen und genießen die gemeinsame Zeit. Das ist wirklich beneidenswert!
Ausnahmslos jeder der Beteiligten, sei es das Prinzenpaar, die Mariechen, Adjutanten, Prinzenführer, Zeremonienmeister, aber auch die vielen Helfer im Hintergrund wie die Fahrer, der Frisör, der Komponist der Sessionsmusik und nicht zuletzt die Lebenspartner all derer, antworteten auf meine Frage: “Warum tut ihr euch das an?” mit den simplen Worten “Weil es einfach nur Spaß macht...”. Für den einen ist es eine Berufung, für den anderen eine Ehre dabei zu sein, für den Nächsten ein Lebenstraum, aber am Ende sind sich alle einig: “Es ist eine rundum tolle und lohnende Zeit, die trotz all der Entbehrungen zu den schönsten Eindrücken meines Lebens gehören, schade das sie schon bald vorbei ist.“ Die leuchtenden Augen, in die ich blicke, sagen mir, dass ihre Begeisterung echt ist und ich glaube, dass man sie auch spüren kann,n während sie durch die Menge schreiten.
Langsam schleicht sich bei mir die Erkenntnis ein, dass etwas dran sein muss. Am Virus "Karneval"...

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